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Starke Redner #4

Man(n) kann deutscher Schriftsteller sein und Politiker. Man(n) kann feminin sein. Man(n) kann Fehler machen. Man(n) kann Emotionen ausdrücken. Man(n) kann Changemaker werden, so wie Dr. Robert Habeck, jetziger Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz. Wie sich das genau in der non-, wie auch verbalen Kommunikation ausdrückt, darum geht es in diesem Artikel von "Starke Redner".

Man(n) kann feminin sein

Wieviel Diversität erlaubt eigentlich Politik? Eine Frage, die seit Regierungswechsel mit einer Außenministerin, die konzentriert und willensstark agiert und einem Robert Habeck, der mit einem sanften Stimmklang Widersprüche aufzeigt, mehr und mehr in Bewegung kommt. Eine feminine, weiche Stimmwahrnehmung entsteht dadurch, wenn erstens der eigentliche Klang der Stimme, der akustische Fingerabdruck neben den tiefen Brusttönen eine hohe Anreicherung an hellen Tönen besitzt. Zweitens, der Ausatemstrom nicht die Stimmbänder mit Druck und hoher Geschwindigkeit in Schwingung bringt, sondern sanft und reguliert bewegt. Dadurch wirkt die Stimme hell und feiner. In unserem Kulturkontext dann feminin. So wie also jemand atmet, spricht er auch mit seinem Gegenüber und zeigt damit seine innere Haltung, die bei Habeck dann eher einladend und empathisch wirkt. Wenn also Robert Habeck auf seiner Homepage schreibt, dass der Kern der Demokratie bedeutet, im Streit um die besten Lösungen einen Konsens herzustellen und das mit gegenseitigem Zuhören, Ernstnehmen des Anderen und zugewandten politischen Debatten, dann ist davon auszugehen, dass ihm mit einem eher femininen mit wenig Druck geführter Stimmklang, dieser Kern der Demokratie auch wichtig ist.

Man(n) kann Fehler machen

Es ist der 13. Januar 2022, seine Antrittsrede als Minister für Wirtschaft und Klimaschutz im Bundestag. Habeck braucht keine Zettel, er denkt, wenn er spricht, spricht, wenn der denkt. Habeck schaut die Menschen vor ihm an. Hält sich am Pult, an seinen Händen fest. Manchmal verfolgt er seine Gedanken etwas zu lang, manchmal betrachtet er sein Publikum zu intensiv. Das ist der Moment, wo er sich verliert, verspricht, unkonkrete Gesten benutzt. Sich wieder finden muss und weiter macht. Der Dramatiker Heiner Müller sagte: "Mach Fehler und mach sie schnell." Diese "Fehler" im Sprechen, die fast demaskierend eine Unsicherheit bloßlegen könnten, erzeugen hier jedoch eine pulsierende Spannung, weil sich Robert Habeck davon nicht irritieren lässt. Mangel oder Fehler wollen viele Redner*Innen verstecken, gerade auch in Kontexten, die mit großer Verantwortung zu tun haben. Robert Habeck macht jedoch einfach weiter, lässt sich von der vermeintlichen Unklarheit nicht beirren und wird dadurch im weiteren Sprechverlauf überzeugender. Was hier passiert, ist die Veröffentlichung von Resilienz. Aus dem vermeintlichen Fehler kommt er gestärkter hervor. Plötzlich erhöht er das Sprechtempo, erzeugt damit Spannung. Schiebt den Brustton vor die hellen Töne, wird dadurch eindringlicher. Spricht salopper, gewandter in der Rhetorik, dadurch entsteht noch mehr Fokus für den Inhalt. Hier klingt nicht der Politiker aus ihm hervor, sondern der Schriftsteller, der er auch ist.

Man(n) kann Emotionen ausdrücken

Im Sprechen erzeugt ein gutes "Storytelling" Emotionalität im Gegenüber. Denn Storytelling zeigt Hindernisse wie auch Lösungen auf. Und wie das geschieht und sich ausdrückt, entscheidet, ob die Kommunikation überzeugt oder eben nicht. Meint der Sprecher wirklich was er da sagt? Kann er andere motivieren? Passen seine Werte zu den Werten der Gemeinschaft? Ist seine Kommunikation friedlich, kooperativ, zugewandt, energisch, oder, oder oder? All das sind Fragen, die sich  gerade öffentliche Personen immer wieder in der Kommunikation stellen müssen. Robert Habeck zeigt, dass er nicht nur mit Fehlern umgehen kann, er hat auch einen biographischen Vorteil als Schriftsteller und Philosoph. Seine Rhetorik bedient sich einer Sprache, die beinahe journalistisch klingt. Da kommen Sätze wie: "Die Sonne gehört niemanden" auf der Energy Transition Dialogue Conference in Berlin oder "Da drin laufen gerade die Autos vom Band. Die sehen so aus, wie die Dinger, die da gerade hinter mir stehen", während er vor der Tesla Fabrik in Grünheide steht, oder "Politik ist eine Beziehung zur Welt. Sie macht aus einer Reihe von subjektiven Erfahrungen objektive Tatsachen.... Was man sich alleine denkt oder vornimmt, kann in einer Demokratie durch die Gruppe Wirklichkeit werden" so auf seiner Homepage. Auf Instagram erzählt er Geschichten und Hintergründe, während er auf der Reise in den Emiraten die Energie für Deutschland sichert und gleichzeitig seine und die Werte der Grünen behalten will. Er erklärt Politik, die Hindernisse, die Lösungsversuche. Er nimmt uns mit und macht uns zur Teilnehmerin, zum Teilnehmer. Hier passiert eine Veränderung im Politikbetrieb. Eine neue Denk- und Sprechkultur, in die wir durch gutes Storytelling eingeladen werden.

Robert Habeck - Der Changemaker

Der 24. Februar 2022 hat unser aller Leben verändert. Seit zwei Jahren und ein bisschen befinden wir uns in verschiedene Krisen. Erst Corona, die immer noch währt, dann der Krieg in der Ukraine. Veränderung ist schneller als wir manchmal sind.

Changemaker ist so ein beliebter Begriff, nicht nur in der Politik und Wirtschaft. Bedeutet es doch, dass hier jemand die Zeichen der Zeit erkennt und dort Veränderung in Gang bringt, wo sie zum Besten für alle benötigt wird. Robert Habeck würde sich wahrscheinlich nicht als Changemaker bezeichnen, da zu populär. Doch es sind nicht nur seine Fähigkeiten vom authentischen Stimmklang über Storytelling, sondern auch seine persönliche Entwicklung, die zeigen, dass er Wandel kann: Seine Stimme, die sanft und hell klingt, befand sich in Interviews und Reden noch im Januar 2022 etwas weit hinten im Rachen. Das passiert, wenn der Kiefer nicht locker genug ist, weil sich z.B. gerade zu sehr auf das Sprechen fokussiert wird. Doch seit einiger Zeit ist die Stimme viel direkter und weiter vorne im Klang, da schwingt mehr Brust und Mittelresonanz, jedoch weiterhin ohne Druck im Stimmansatz. Das wirkt grundsätzlich lockerer und damit überzeugender. NEU ist auch sein gleichmäßigeres Sprechtempo, kein ungeordnetes gestisches Festhalten an Tischen und Händen, sondern nur noch an den Händen. Die Stimmmodulation ist nicht mehr so groß, bedeutet, dass der emotionale Anteil weniger Platz im Sprechen findet. Schade eigentlich, denn eine Stimme, die viele Emotionen ausdrücken kann, bewegt einfach auch das Ohr von allen die zuhören wollen. Dafür ist die Variabilität in Habecks Sprache, sowohl in der Saloppen wie auch in der komplexen Beurteilung von Situationen und Kontexten noch klarer und reicher geworden. Robert Habeck ist ein Changemaker, weil er zeigt, dass er trotz der massiven Hindernisse kontinuierlich bleibt und an seinen Aufgaben wächst und das nicht nur für sich allein, sondern für uns alle. War das nicht der Kern seines Demokratieverständnisses?

 

 

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